Geschichte: Die Gründung von BRD und DDR

    Aus WISSEN-digital.de


    Der Zweite Weltkrieg übertraf den Ersten nicht nur an Menschenopfern (etwa 55 Millionen gegenüber den ohnehin schon ungeheuerlichen zehn Millionen Toten zwischen 1914 und 1918), er hat nicht nur die Zerstörung unersetzlicher Kulturwerte ins Gigantische gesteigert; die Folgen beider Kriege unterscheiden sich auch prinzipiell, nicht bloß quantitativ voneinander: Europa verlor nach 1945 seine in Jahrhunderten begründete Vormachtstellung, es hörte auf, das dynamische Zentrum des Weltgeschehens zu sein, wie es mindestens seit der Zeitenwende von 1500 außer Frage gestanden hatte.

    Noch der Erste Weltkrieg hatte die großräumigen Konstellationen nicht wesentlich verändert, außer dass Deutschland als beherrschende Mitte des Kontinents zunächst ausgefallen war; die großen Kolonialreiche Englands und Frankreichs konnten behauptet werden. Amerika zog sich in die Isolation zurück, Sowjetrussland trat weltpolitisch kaum hervor - teils von der Völkerfamilie geächtet, teils mit dem inneren Aufbau beschäftigt.


    Erst der Zweite Weltkrieg veränderte diese Konstellation von Grund auf und spielte den "Söhnen Europas", wie Friedrich Heer Amerika und Russland einmal genannt hat, tragende Rollen der Weltgeschichte zu. In diesem Zusammenhang kann man kaum umhin, sich einer Prophetie zu erinnern, die der französische Jurist, Politiker und Historiker Alexis de Tocqueville im Jahr 1835 niedergeschrieben hat:

    "Es gibt jetzt auf der Erde zwei große Völker ... Beide gehen aus von verschiedenen Punkten, und ihre Bahnen sind verschieden; nichtsdestoweniger scheinen beide, nach einer uns noch geheimen Absicht der Vorsehung, bestimmt zu sein, jeder in seiner Obhut eine halbe Erde zu halten."

    Die Geschichte ließ sich 110 Jahre Zeit, um den letzten Satz dieser Vorausschau zu bestätigen. 1945 kann als jenes Datum gelten, von dem an Tocquevilles Prognose für zehn Jahre ihre stärkste Annäherung an die Wirklichkeit gewann.


    Wohl besaßen England und Frankreich noch ihre Kolonialreiche; sie waren jedoch durch den Krieg furchtbar geschwächt, indes die beiden Supermächte kraftstrotzend und bis an die Zähne gerüstet auf den Trümmern besiegter Regionen standen – Russland auch auf den Trümmern der eigenen Heimat. Deutschland, ursprünglich eine Großmacht, von Hitler zur Weltmacht ausersehen, war zerstört, demoralisiert und als politische Kraft erledigt. Irgendein mit den beiden Großen rivalisierendes Machtpotenzial bestand nirgendwo, es gab nur kleinere Bündnispartner, Parteigänger beziehungsweise "Satelliten", wie man bald jene Staaten in Europa und Asien nannte, die im sowjetischen Einflussbereich lagen.

    In der kaum verhüllten sowjetischen Expansionspolitik in Ostmitteleuropa und der Unterdrückung nationaler Erneuerungsbestrebungen (nach Hitlers Vorherrschaft) lag denn auch der Keim für die Beendigung der Kriegskoalition zwischen dem Westen und der UdSSR. Schon im Sommer 1945 registrierte die britische Regierung mit Unmut die Bolschewisierungspolitik in Polen und auf dem Balkan. Churchills antikommunistische Ressentiments – während der lebenswichtigen Kriegskoalition zurückgestellt – erwachten wieder.


    Zunächst allerdings wurden die aufbrechenden Gegensätze noch durch einen letzten Kraftakt der Eintracht niedergehalten. In der Potsdamer Konferenz von Mitte Juli bis zum 2. August 1945 versuchten die Vereinigten Staaten, vertreten durch ihren neuer Präsidenten Harry S. Truman, die Sowjetunion mit Stalin an der Spitze und Großbritannien zuerst mit Winston Churchill, danach mit seinem Amtsnachfolger Clement Attlee, die Nachkriegswelt neu zu ordnen. Im Mittelpunkt ihres Bemühens stand das Schicksal Deutschlands.

    Die zentrale Vereinbarung in Potsdam lautete: Deutschland soll nicht geteilt oder zerstückelt werden. Statt dessen wurde die Absicht formuliert, in den schon bestehenden vier Besatzungszonen "einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen" zu errichten, die zu Keimzellen einer künftigen demokratischen deutschen Zentralregierung werden sollten. Einstweilen übte der "Kontrollrat" die oberste Gewalt aus; das waren die vier Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen.

    Am zähesten wurde um die Ostgrenzen gerungen. Dort standen die Westalliierten vor weithin vollendeten Tatsachen: Überall in den ehemaligen deutschen Provinzen östlich von Oder und Neiße hatten die Polen eine eigene Verwaltung errichtet. Das geschah mit ausdrücklicher Billigung der Sowjets, die sich ihrerseits jene Teile Ostpolens einverleibt hatten, in die sie zuerst 1939 einmarschiert waren und die sich seit 1944 wieder in ihrem Besitz befanden.

    Die polnischen Behörden siedelten die deutsche Restbevölkerung zum größten Teil und rigoros aus, obwohl das Potsdamer Abkommen verlangte, dass "jede derartige Überführung ... in ordnungsgemäßer und humaner Weise" erfolgen sollte.

    Die Gesamtzahl derer, die in den beiden Teilen Deutschlands, der Bundesrepublik und der damaligen DDR im Laufe der Jahre nach 1945 eingegliedert werden mussten, beträgt zwölf Millionen; darin liegt eine große soziale Leistung.

    Gleich nach Kriegsende machte sich die Sowjetunion an die Ausplünderung ihrer Besatzungszone und an die rigorose Bolschewisierung ihrer Lebensformen. Dies hatte Folgen für ganz Deutschland. Denn nun flüchteten Hunderttausende in den Westen. Bis Mitte 1946 waren es über anderthalb Millionen, ein schwerer Aderlass vor allem an Facharbeitern für den sowjetischen Machtbereich. Daher beantragten die sowjetischen Vertreter im Kontrollrat die Schließung der Zonengrenze - und der Westen stimmte zu. Er war ja von dem Zustrom keineswegs beglückt, weil alle diese Menschen ernährt werden mussten.

    So wenig es hier darum gehen kann, die deutsche Nachkriegsgeschichte im Einzelnen nachzuerzählen, so sind diese Tatsachen doch wichtig, weil sie verständlich machen, wie es schrittweise zum großen Ost-West-Konflikt gekommen ist. Er begann nicht mit Paukenschlägen, sondern erwuchs aus der Addition einzelner Anlässe, zunehmender Spannungen, aus den wachsenden Reibungen entgegengesetzter gesellschaftlicher Systeme, die sich auf deutschem Boden aufs Engste berührten. In den Jahren nach 1945 war eben Deutschland für eine Zeitlang die politische Mitte der Welt - freilich nicht in der Weise, wie sich dies deutsche Weltmachtträumer einmal vorgestellt hatten.

    Indem der Einflussbereich Moskaus zunehmend bolschewisiert wurde, rückten die Westzonen Deutschlands - aus gleicher Interessenlage - allmählich wirtschaftlich und politisch zusammen. Die Anfänge lagen im Sommer 1946. Washington und London vereinbarten, ihre Besatzungszonen zu vereinigen. Das geschah mit Wirkung vom Jahresbeginn 1947. Hier entstanden nun auch die ersten jener Zentralbehörden, die das Potsdamer Abkommen für ganz Deutschland vorgesehen hatte. Auch das erste neudeutsche Parlament, der "Zweizonen-Wirtschaftsrat", wurde 1947 etabliert. Er bestand aus Abgeordneten der Länderparlamente.

    Zweifellos waren damit Ansätze für eine eigenstaatliche Entwicklung der Westzonen geschaffen. Die Sowjets beobachteten die Entwicklung mit großem Misstrauen. Während sie selber eine gesellschaftlich-politische Spaltung Deutschlands bereits praktizierten, hielten sie am Gedanken Gesamtdeutschlands vor allem aus Gründen politischer Mitsprache fest.


    Die deutschen Verhältnisse gewannen aber nun ihre eigene Dynamik, wesentlich gefördert durch die Absicht der USA, Westdeutschland lebensfähig zu machen. Nachdem der ehemalige US-Präsident Herbert Hoover nach einer Rundreise durch Europa über das wirtschaftliche Elend berichtet hatte, kam ein gewaltiges Wirtschaftshilfsprogramm in Gang. Es wurde eingeleitet durch die Rede des Außenministers George Marshall im Juni 1947 in der Harvard-Universität. Dieser 5. Juni kann als der Stichtag der wirtschaftlichen Wiedergeburt des Nachkriegs-(West)europas gelten, speziell Westdeutschlands. Das ERP-Programm (European Recovery Program), kurz "Marshallplan" genannt, lag auch im eigenen Interesse der USA, denn nur ein vitaler europäischer Markt war imstande, amerikanische Produkte aufzunehmen.


    Der nächste Schritt, ohne den der Marshall-Plan nicht wirksam werden konnte, war eine deutsche Währungsreform, um das Missverhältnis zwischen der noch geringen Produktion und der überhöhten Geldmenge zu beseitigen. Mit dem 20. Juni 1948 endete die erste Nachkriegszeit in Westdeutschland. Es war die Stunde Null des eigentlichen existenziellen Neuanfangs. Der Name Ludwig Erhard (1897-1977) bleibt in diesem Zusammenhang erinnerungswürdig. Erhard leitete das Zweizonenamt für Wirtschaft in Frankfurt und hob am Tag der von den Alliierten verfügten Währungsreform die Planwirtschaft auf - vertrauend auf die Eigeninitiative und den Aufbauwillen der verarmten Deutschen. Er behielt so durchschlagend recht, dass man ihn als den Motor des späteren "Wirtschaftswunders" ansehen darf (das er zwischen 1949 und 1963 als Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland begleitet hat).

    War Erhard der Motor, so war der Marshallplan der Treibstoff der wirtschaftlichen Erholung. Die amerikanische Hilfe setzte im Frühjahr 1948 ein und war auf vier Jahre veranschlagt. Eine zuverlässige Statistik über ihren Gesamtumfang ist schwer zu gewinnen, weil auch die Rückzahlungen der Kredite, soweit überhaupt veranlagt, wieder in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückgeführt wurden.

    Zwölf bis sechzehn Milliarden Dollar dürften zwischen 1948 und 1952 nach Europa geflossen sein. Westdeutschland erhielt ungefähr ein Viertel dieser Mittel. Die Empfängerländer kauften Rohstoffe, Nahrungsmittel und Investitionsgüter. Der Gesamterfolg auf deutschem Boden war das Ergebnis von vier einander ergänzenden Faktoren: Währungsreform, Marktwirtschaft, Dollarstrom, Produktivitätsdrang. Daraus zusammen erwuchs die wirtschaftliche Kraft und Stabilität Westdeutschlands.


    Stalin hatte die Einladung, am Marshall-Plan für seinen Herrschaftsbereich teilzunehmen, ausgeschlagen; zu brüchig war die alte Kriegskoalition schon geworden, zu unterschiedlich waren auch die Wirtschaftssysteme. Einer separaten Währungsreform widersprachen seine Bevollmächtigten in Deutschland, denn eine staatliche Separatentwicklung ließ sich dann auch äußerlich nicht mehr aufhalten. Als Stalin sah, dass die Währungsreform beschlossene Sache war, griff er zu Gewalt. Er leitete eine Wirtschaftsblockade zu Lande und Wasser gegen die Westsektoren Berlins ein (Berlin war ja im Kleinen ein Spiegel der Vierzonen-Verwaltung).

    Die "Berliner Blockade" (Juni 1948 bis Mai 1949) wurde von amerikanischer Seite (Präsident Harry S. Truman/ General Lucius D. Clay) mit der Lebensmittel-Luftbrücke für West-Berlin beantwortet, der bis heute größten Rettungsaktion dieser Art. Da die Luftverkehrswege nach Berlin verbriefte alliierte Rechte waren, mussten die Sowjets zähneknirschend hinnehmen, wie ihre Abschnürungsaktion hier unterlaufen wurde.

    Indem Stalin am Ende nachgab, hatte er seinen Einfluss auf die westdeutschen Entwicklungen endgültig verloren. Hier arbeiteten die Westmächte mit deutscher Unterstützung jetzt zielstrebig auf eine deutsche Teilrepublik zu. Der Parlamentarische Rat hatte seit Sommer 1948 das Grundgesetz ausgearbeitet. Es wurde im Mai 1949 verabschiedet. Im August folgten die ersten Bundestagswahlen, aus denen die CDU/CSU als relativer Wahlsieger (31,0 Prozent) hervorging.

    Am 15. September 1949 wurde der CDU-Politiker Konrad Adenauer (1876-1967) zum ersten Bundeskanzler gewählt. Er begann mit einer Koalition von CDU/CSU, FDP und Deutscher Partei (DP) zu regieren und blieb mit steigenden Wahlerfolgen vierzehn Jahre lang Regierungschef.

    Die Sowjetunion ließ am 7. Oktober 1949 eine ostdeutsche "Deutsche Demokratische Republik" ausrufen. Sie stand von Anbeginn, wenn auch noch nicht nominell, unter der Führung des Stalinisten Walter Ulbricht (1893-1973). Von 1953 bis 1971 war er Erster Sekretär des Zentralkomitees. Gegen alle inneren Widerstände der Bevölkerung (Volksaufstand vom 17. Juni 1953) integrierte er die DDR systematisch in das Ostblocksystem und machte aus ihr den treuesten Satelliten der UdSSR. Hatte die deutsche Spaltung sich aus den Nachkriegsverhältnissen schon fast zwangsläufig entwickelt, so führten andere Konfliktherde nicht nur zum weiteren Auseinanderdriften der beiden deutschen Teilstaaten, sondern insgesamt zu wachsender internationaler Verhärtung und Konfrontation zwischen Ost und West.